Das TT-Wunder von Bad Königshofen …
Bad Königshofen In Sport-Deutschland, speziell in Tischtenniskreisen, spricht man zurzeit vom „Tischtennis-Wunder von Bad Königshofen“. Dort hat sich ein Verein, der vor 15 Jahren noch siebtklassig in der Landesliga Nord spielte, bis in die Bundesliga hoch gearbeitet. Wo er in seiner siebten Saison die TTBL-Runde als Dritter hinter dem 1. FC Saarbrücken, Borussia Düsseldorf und vor dem SV Werder Bremen abschloss. Womit er sich für die Play-offs, das Halbfinale um die deutsche Meisterschaft, qualifizierte und am Pfingstmontag (16 Uhr) den 33-fachen Deutschen Meister und sechsfachen Champions League Sieger Borussia Düsseldorf empfängt. Nach dem Modus „Best of three“ wird in Hin- und Rückspiel und eventuell Entscheidungsspiel der Teilnehmer am Finale ermittelt, das am 30. Juni in der Frankfurter SÜWEG-Arena ausgetragen wird. Wir stellen unseren Lesern fünf Personen vor, die, einige auch stellvertretend für weitere, von Beginn an hinter diesem Erfolg standen bzw. ihn auslösten oder mit ermöglichten.
Klaus Schmittinger (der Initiator)
Eine wichtige Rolle, ohne es damals zu ahnen, spielte der ehemalige Jugend-Bundestrainer beim Durchmarsch des TSV Bad Königshofen bis in die Bundesliga. Er war unbewusst der Initiator des Projekts, der Auslöser einer Idee, die bei Andy Albert und Josef Ort zur Vision wurde. Josefs Sohn Kilian Ort war damals, im November 2010, Schüler-Nationalspieler, 14 Jahre und bekam von Schmittinger Besuch beim Training. Dieses fand in der kleinen Gymnastikhalle der Volksschule statt, wo die beiden hoffnungsvollen TSV-Nachwuchstalente Kilian Ort und der vier Jahre ältere Christoph Schüller aus Kleinbardorf übten und vom Bundestrainer beobachtet und beraten wurden.
Wie weit es Kilian mal bringen könne, fragte der Mainpost-Mitarbeiter den Fachmann. „Wenn er nicht in ein TT-Internat oder zu einem Bundesliga-Verein wechselt, wird er in der Bayernliga stecken bleiben.“ Der TSV spielte gerade Landesliga Nord. Josef und sein Freund und Kilians Pate Andy steckten die Köpfe kurz zusammen. Dann sagte Andy: „Und wenn wir selber Bundesliga spielen?“ Da lächelte Schmittinger und ahnte nicht, was er soeben entfacht hatte.
Andy Albert (der Visonär)
Der Ur-Königshöfer Tischtennisspieler, der in Schweinshaupten lebt, ist der eigentliche „Macher“ jenes Tischtennis-Wunders. Mit Reinhold Schäfer gab es schon einmal einen, der vergleichsweise im Alleingang als Trainer und Abteilungsleiter die TSV-Damenmannschaft in die 2. Bundesliga führte. Als er ausstieg, stieg Albert Ende der 1980-er-Jahre ein und übernahm eine Abteilung, deren 1. Mannschaft in der 2. Bezirksliga spielte. Unterstützt wurde er u.a. von seinen Teamkollegen Johannes Heusinger, Jürgen Halbig und seinem Freund vom Kindergarten und der Schulbank her Josef Ort, mit denen er einst unterfränkischer Jugendmeister geworden war.
Andys große Stärke ist seine Kommunikationsfähigkeit und Überzeugungskraft, mit der er die immer vielfältiger werdenden Aufgaben delegierte und Mitstreiter mit ins Boot nahm. Und einen Sponsoren-Pool gründete und ihn zunehmend vergrößerte. Als er die kühnsten Visionen Realität werden ließ, waren auch immer mehr Helferinnen und Helfer bereit und sogar stolz darauf, ein Teil des Projekts „Weltklasse in Bad Königshofen“ zu sein.
Josef Ort (der Kontrolleur)
Der Vater von Kilian Ort ist seit Jahr und Tag auch Kassier vom Hauptverein. „Er hatte immer die Finanzen im Griff“, lobt Albert seinen Freund, dem er „dankbar dafür“ ist, dass er von ihm immer an der Leine gehalten wurde, „bevor die Visionen mit mir durch gingen. Er überwacht das Ganze, er ist der Bänker, der auch mal bremst und mir auf die Finger klopft, wenn er sieht, dass etwas zu schnell oder in eine gefährliche Richtung geht. Ja, er ist der Kontrolleur.“ Als Albert Ende das Amt des Abteilungsleiters übernahm, stieg Ort als Kassier des Hauptvereins ein und ist es bis heute.
Eine ihrer wichtigsten Entscheidungen war, als die Visionen Gestalt annahmen, die Ausgliederung der Bundesliga-Mannschaft in eine GmbH zu forcieren. Josef Ort bildete als Trainer seinen eigenen Sohn aus und spielte zusammen mit seinem (verstorbenen) Bruder Michael, seinen Schwestern Maria und Monika und seinem Sohn Kilian beim „TSV Ort“. Seit Jahrzehnten und bis heute bringt er sich als Trainer in die Nachwuchsarbeit ein. Für die gesamte Logistik rund um die Heimspiele ist er mit seiner Frau Martha unverzichtbar.
Johannes Heusinger (der Koordinator)
Er ist ein weiterer Ur-Königshöfer jener Jugendmannschaft, wie Albert, Ort und Halbig vom selben Jahrgang, und bringt seine beruflichen Erfahrungen als „Allzweckwaffe“ beim TSV dafür ein, dass alles vom Auf- bis zum Abbau der Dreifachturnhalle zur Shakehands-Arena und während des Spiels läuft wie am Schnürchen. Auf Grund seiner Verknüpfung von theoretischer Planung und praktischer Umsetzung greifen die einzelnen Rädchen, Helferabteilungen, ineinander wie die eines Uhrwerks. Der ehemals in Erlangen und Bad Neustadt bei einem Großunternehmen beschäftigte Diplomingenieur spielt zwar wie seine drei Kumpels noch gelegentlich in der vierten, fünften oder sechsten TSV-Mannschaft.
Seinen größten Wert hat er aber als Koordinator des gesamten, aus mehr als 60 Personen bestehenden Helferteams. Mit der Strukturiertheit und Planmäßigkeit eines Ingenieurs eben. Selbst die Zusatztribünen Marke Eigenbau sind Produkt seiner Planung samt handwerklichen Fähigkeit. Heusinger steht stellvertretend für das gesamte Helferteam, dessen koordinierte und freundschaftliche Zusammenarbeit seine Handschrift trägt.
Koji Itagaki (der Stratege)
Zeitgleich mit der Übersiedlung seiner Familie, Frau und drei Kindern, vor acht Jahren von Tokio nach Bad Königshofen begann der entscheidende Durchbruch beim Durchmarsch des TSV in die 1. Bundesliga. Itagaki brachte den Ruf eines weltbekannten Trainers mit, der den Spagat zwischen Ausbildung in der Nachwuchsarbeit und als Headcoach des Bundesliga-Teams leistete. Hier ist er der Stratege, der sowohl bei der Aufstellung als auch während des Spiels entscheidende Impulse setzt. Mit seinem lebhaften, emotionalen Coaching und Feiern jedes einzelnen Punkts ist er in der Liga bekannt – und gefürchtet.
Und respektiert von den TSV-Fans, selbst wenn sie manchmal seine Entscheidungen bei der Aufstellung oder auch, wenn er eine Auszeit beantragt, nicht ganz nachvollziehen können. Betrachtet man allerdings die Entwicklung der Mannschaft über die Jahre und Platz 3 diese Saison in der TTBL mit 24:16 Punkten, muss er sehr viel richtig gemacht haben. Sein guter Ruf im Welttischtennis führt dazu, dass immer wieder und öfter Spieler und Spielerinnen aus der ganzen Welt, aus Chile, Mexiko, Japan und überall her zu ihm nach Bad Königshofen kommen, um sich vor Olympia oder internationalen Meisterschaften im Shakehands Center in Form bringen zu lassen, die gleichzeitig Sparringspartner für die TSV-Akteure sind.